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Quantum.Tech Interview – Amir Eldad

21.4.23
Interview Amir Eldad Park Innovaare
Interview Amir Eldad Park Innovaare

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1.Bitte geben Sie uns eine kurze Einführung in Ihre derzeitige Funktion und Ihre Aufgaben.

Ich bin Ökosystempartner im Park Innovaare, dem führenden Deep-Tech-Innovationszentrum der Schweiz, welches sich auf dem Campus des Paul Scherrer Instituts (PSI) befindet. Der Park Innovaare bietet Unternehmen Kompetenzzentren in den Bereichen integrierte Photonik, Quantentechnologien, Life Sciences und Halbleitertechnologien, um die Wissenschaft mit der Industrie zu verbinden und Unternehmen darin zu unterstützen Innovationen zu beschleunigen, um Produkte schneller marktreif zu machen. Ich habe eine Doppelrolle inne. Zum einen helfe ich beim Aufbau des Business-Ökosystems und zum anderen identifiziere ich globale Organisationen, die vom Technologiespektrum des Parks profitieren können, Teil des Park Innovaare Business-Ökosystems zu werden.

2. Was betrachten Sie als Ihren bisher grössten beruflichen Erfolg?

Es ist schwer, einen bestimmten Erfolg zu nennen, aber einer meiner wichtigsten Grundsätze beim Aufbau eines Business-Ökosystems ist die globale Konnektivität im Auge zu behalten. In diesem Zusammenhang habe ich die Expansion des Start-up-Beschleunigers «MassChallenge» unterstützt, indem ich öffentlich-private Partnerschaften mitbegründet habe: «MassChallenge» Israel in Jerusalem und «MassChallenge» Schweiz in Lausanne.

3. Worauf freuen Sie sich bei der diesjährigen Quantum.Tech am meisten? Und welche Prognosen haben Sie für das kommende Jahr?

Eine der grössten Herausforderungen der Quantentechnologie besteht darin, dass Vorhersagen schwer zu treffen sind, vor allem wenn es darum geht, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen. Im Allgemeinen sind die Perspektiven und Aussichten der Quantentechnologien sowie die ersten praktikablen Anwendungsfälle z. B. QRNG (Quantum Random Number Generator) mit grosser Spannung zu beobachten. Bei der Datenverarbeitung, Sensorik und Kommunikation gibt es verschiedene Anwendungsbereiche mit unterschiedlichen TRLs (Technology Readiness Level). Dennoch ist man sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft vorsichtig, was die vorherrschende Entwicklungsrichtung und die tatsächliche Nutzbarkeit der Quantentechnologie für die Industrie in den nächsten Jahren angeht. Die meisten Fachleute sind sich jedoch darin einig, dass wir in den nächsten 5 bis 15 Jahren mit bedeutenden Durchbrüchen rechnen sollten, und es besteht immer die Chance, dass wir in einem der drei genannten Bereiche kurzfristig eine Überraschung erleben.

4. Wo befindet sich Ihre Organisation innerhalb des Quanten-Ökosystems?

Der Park Innovaare ist auf dem Campus des Paul Scherrer Instituts PSI angesiedelt, dem grössten Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften der Schweiz – somit Teil des ETH-Zürich-Bereichs. Park Innovaare forciert den Austausch zwischen Industrie und Forschung und verbindet Unternehmen auf einem niedrigen *TRL-Niveau. Firmen erhalten so Zugang zu den Grossforschungsanlagen des PSI und können sich mit Experten aus der Forschungswelt vernetzen. Darüber hinaus entsteht am Quantum Computing Hub (QCH), welcher von der ETH Zürich und dem PSI gegründet wurde, eine wissenschaftliche Plattform für Experimente, welche einen beispiellosen Zugang zu Hardware und Software für Tests, Benchmarking und die gemeinsame Entwicklung von Technologien im Bereich des Quantencomputing und der Peripherie ermöglicht. Darüber hinaus möchte das Quantum Computing Hub (QCH) zukünftig Systeme für die Prüfung und Entwicklung von Software, Algorithmen und Anwendungen zur Verfügung zu stellen. Das PSI unterhält auch enge Verbindungen zum Swiss Supercomputing Center (CSCS) und hat eine Plattform für die Simulation von Quantencomputern entwickelt, die auf High-Performance-Umgebungen, wie der kommenden PetaFLOPS «ALPS»-Maschine eingesetzt werden kann.

5. Wird 2023 das Jahr sein, in dem wir dem Quantenvorteil für Unternehmen näherkommen? Wenn ja, wie?

Auch hier ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen; es könnte 2023, 2024 oder später sein... Die Technologie kommt der Umsetzung immer näher; allerdings steht jetzt eher die Erforschung als die Umsetzung im Vordergrund. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass Hardware- und Softwareentwickler in dieser Forschungsphase eng mit den Forschern zusammenarbeiten. Während dies für die Quanteninformatik gilt, haben einige Anwendungen in der Quantensensorik und -kryptografie bereits einen Vorteil, der durch kommerzielle Angebote zugänglich ist. So sind beispielsweise der neue vibrationsfreie Reinraum des PSI im Park Innovaare und verschiedene Forschungsabteilungen des PSI sehr gut im Technologiebereich positioniert, der für die Weiterentwicklung von Quantensensoren erforderlich ist. QZabre und Qnami sind zwei Schweizer Beispielunternehmen, die entsprechende Lösungen anbieten – Qnami ist ebenfalls im Park angesiedelt.

6 Worin bestehen Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen bei der Arbeit mit Quanten in der NISQ-Ära?

NISQ (Noisy Intermediate-Scale Quantum) steht für den Optimismus, dass ein Quantenvorteil für ein relevantes Problem auch mit den heutigen verrauschten, fehleranfälligen Geräten erzielt werden kann. Immerhin sind grundlagenwissenschaftliche Experimente mit Quantengeräten bereits in Bereiche vorgedrungen, die mit heute bekannten klassischen Computern und Algorithmen nicht mehr untersucht werden können. Ob ein solches Kunststück in naher Zukunft auch bei einem für die Industrie relevanten Problem möglich sein wird, bleibt abzuwarten, aber es gibt durchaus Grund zur Hoffnung. Der harte, lange Weg führt natürlich über fehlertolerante Quantencomputer, die eine Quantenfehlerkorrektur (QEC) einsetzen, um das Versprechen des Quantencomputers zuverlässig zu erfüllen. In diesem Bereich werden grosse Fortschritte erzielt, wobei die ersten echten Prototypen von logischen Qubits (Proof-of-Concept-Demonstrationen zum Schutz vor allen vorherrschenden Fehlern) erst vor kurzem vorgestellt wurden. Das Streben nach technologischem Fortschritt, der für die Umsetzung von QEC erforderlich ist, erweitert ständig die Reichweite von NISQ-Geräten und verbessert ihre Leistung, so dass diese beiden scheinbar getrennten Wege tatsächlich Hand in Hand gehen.

7. Wie viele Qubits werden wir Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren bis 18 Monaten erreichen? Werden sie einen Unterschied machen?

Das ist eine gute Frage, und die Antwort hängt sehr stark davon ab, von welchen «Qubits» wir sprechen - physisch oder logisch? Sie hängt auch von der Konnektivität zwischen diesen Qubits ab, denn es ist z. B. möglich, eine Million perfekter atomarer Qubits in einem Gerät unterzubringen, nur nicht, sie einzeln zu steuern. Ebenso hat ein Unternehmen bereits 1000+ einzeln kontrollierte Qubits demonstriert, nur mit geringer Konnektivität und nicht sehr hoher Kohärenz - es kommt also wirklich darauf an. Ich glaube, dass wir an der logischen Qubit-Front Fortschritte sehen werden, niedrigere Fehlerraten und bessere Protokolle, die diese effizienter erreichen können, wenn mehr physikalische Qubits zusammengebracht werden, um die Quantenfehlerkorrektur zu realisieren. 

8. Wie wird sich die Quantenphysik Ihrer Meinung nach auf die Cybersicherheit auswirken? Müssen sich die Unternehmen jetzt mit dieser Herausforderung auseinandersetzen, oder ist das ein Hype?

Mit der Leistung des Quantencomputers könnten wichtige Verschlüsselungsprotokolle wie *RSA in Stunden statt in Hunderten von Jahren entschlüsselt werden. Ja, das wird dramatische Auswirkungen auf jedes Unternehmen haben. Aber auch hier ist die grosse Frage der richtige Zeitpunkt. Es kann in 2 Jahren, 10 Jahren oder 20 Jahren geschehen; niemand hat die Antworten. Grosse Organisationen - Finanz-, Verteidigungs- und andere Unternehmen - müssen also den Finger am Puls der Quantentechnologie haben, damit sie die Frage des richtigen Zeitpunkts rechtzeitig beantworten können, um darauf vorbereitet zu sein. Ob Sie davon betroffen sind, hängt auch davon ab, wie lange Ihre Informationen geheim bleiben müssen: Wenn sie z. B. 20 Jahre lang geheim bleiben müssen, dann sind die Auswirkungen bereits spürbar.

9. Was die Suche nach den richtigen Talenten betrifft: Wie gehen Sie bei der Suche nach den besten Leuten vor, die an Ihrem Produkt arbeiten?

Die Suche nach den richtigen Talenten ist in der Tat eine der grössten Herausforderungen. Es gibt drei Hauptkategorien von Talenten: Die erste ist das technologische Kerntalent - Physiker und dergleichen. Die zweite sind «normale» Elektronik- und Software-Ingenieure, die über Fachwissen in Quantenumgebungen verfügen. Die dritte Kategorie sind «Deep-Tech»-Ingenieure, die die QC-Umgebung tatsächlich aufbauen können [Kryogenik, Photonik usw.]. Park Innovaare ist ideal positioniert, um seinen Mitgliedern bei diesen drei Kategorien zu helfen, indem es die multidisziplinäre Grundlagenforschung am PSI (und anderen Institutionen im ETH-Bereich), die angewandte Forschung an der FHNW (Fachhochschule Nordschweiz), einem wichtigen Gründungsmitglied des Park Innovaare, und die technischen Fähigkeiten (wie die für den Bau des Teilchenbeschleunigers des PSI benötigten) im gesamten Schweizer Ökosystem nutzt.

10. Glauben Sie, dass Quanten als Dienstleistung ein wichtiger Trend werden? Glauben Sie, dass die meisten Quanten aus der Cloud kommen werden?

Derzeit ist Quantencomputing als Dienstleistung eine Zwischenlösung für die derzeitige Erforschung der Quantentechnologie. Es ist klar, dass wir, sobald wir ein solides Quantenangebot haben, dieses über die Cloud anbieten werden, um die Vorteile von Skaleneffekten zu nutzen und die Zugangsbarrieren zu überwinden. In der gegenwärtigen Erkundungsphase ist es jedoch wichtig, praktische Erfahrungen in einer echten Quantenumgebung zu sammeln. Der Quantum Computing Hub von PSI und ETH hat bereits zwei experimentelle Plattformen in Betrieb, die auf supraleitenden Schaltkreisen und gefangenen Ionen basieren.

11. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit von Quanten mit KI und maschinellem Lernen?

Die Leistungsfähigkeit der KI ist stark von der Rechenleistung abhängig. Wir sehen heute, wie grosse Halbleiterunternehmen GPUs und andere KI-spezifische Unternehmen Prozessoren entwickeln. Quantencomputing wird der KI einen großen Sprung nach vorn ermöglichen, und zwar in einer Weise, die wir uns heute noch nicht einmal vorstellen können.

12. Was wollen Sie auf unserer Messe in Boston im April vorstellen?

Ich freue mich darauf, die Attraktivität von Park Innovaare als wichtiges Ökosystem für Quantencomputer zu zeigen. Mit den ~2000 Wissenschaftlern und Ingenieuren des PSI, die an einer Vielzahl relevanter Technologien arbeiten (Photonik, Kryogenik, Energie, Materialanalytik und mehr), haben der Quantum Computing Hub des PSI und der ETH sowie das Quantum-Computing-Ökosystem des Parks die kritische Masse und Dynamik, um den explorativen Charakter der heutigen Quantentechnologie zu unterstützen und eine enge Interaktion zwischen Industrie und Forschung über niedrige, mittlere und hohe *TRL zu ermöglichen.

13. Wen würden Sie gerne treffen?

Ich freue mich darauf, alte und neue Freunde aus der weltweiten Quantengemeinschaft zu treffen. Es sieht so aus, als ob diese Veranstaltung erfolgreich dazu beigetragen hat, diese eng verbundene Gemeinschaft zu fördern.

14. Quantum.Tech deckt die Bereiche Quantencomputing, Kryptographie und Sensorik ab. Welcher Bereich begeistert Sie am meisten und warum?

Sie sind alle interessant. Es ist grossartig, dass die Veranstaltung all diese Bereiche abdeckt und den Wert der Quantentechnologie für sehr unterschiedliche Bereiche aufzeigt. Das Rechnen ist eindeutig ein heisses Thema und etwas, das wir mit dem QC-Hub am PSI umfassend verfolgen, wo sich die Bemühungen sowohl auf die langfristige Forschung und Entwicklung in Bezug auf Fehlerkorrektur und verschiedene Qubit-Modalitäten als auch auf die kurzfristige Erforschung mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie konzentrieren. Ich interessiere mich auch sehr für die Sensorik, wo wir bereits heute eine Auswirkung sehen können, z. B. mit den Quantensensorlösungen des Park Innovaare-Mitglieds Qnami. Und schliesslich ist die Quantenkryptographie ein Bereich, in dem beispielsweise das Schweizer Unternehmen IDQuantique bereits seit zwei Jahrzehnten den Weg bereitet hat, noch bevor sie zum Mainstream wurde. Ich bin gespannt auf die neuesten Entwicklungen und Anwendungsfälle im kommerziellen Bereich. Es ist schwer, sich für ein Thema zu entscheiden, da sie alle spannend sind, sich auf unterschiedlichen *TRLs befinden und daher für verschiedene Industriepartner interessant sind.

*RSA: RSA ist ein System für Verschlüsselung und Authentifizierung im Internet und basiert auf einem im Jahr 1977 von Ron Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman entwickelten Algorithmus.

*TRL: Technology Readiness Level